Diese Präsentation (Dauer: 15min) habe ich dieses Jahr als 5. Komponente meiner Abiturprüfung vorgestellt. Ich habe eine sehr gute Wertung bekommen (14 Punkte) und würde die Texte gerne hier zur Diskussion stellen bzw. interessierten Lesern zukommen lassen.

Handout | Powerpoint-Präsentation

Dies ist der Text den ich mir vorbereitet habe, der Sprechtext des Vortrags ist nur geringfügig abweichend. Die Klammern bedeuten den Wechsel der Powerpointfolien. Leider kann ich nicht die Videos der ersten Absätze hochladen, aber aus den Quellen kann man sie sich z.T. selbst raussuchen.

Dieses Video zum Einstieg zeigte ihnen drei verschiedene Länder, in denen die Polizei die Freiheit der Menschen nicht nur nominell schützen soll. Am Anfang sahen wir eine Amateuraufnahme des Falls „Rodney King“, Afro-Amerikaner, der von drei Polizisten 1991 misshandelt wurde. 20 weitere Polizisten standen in der näheren Umgebung und griffen nicht ein. Rodney King wurde polizeilicher Gewalt ausgesetzt, obwohl der polizeiliche Zweck, seine Ingewahrsamnahme schon längst erreicht wurde.

Der zweite Abschnitt zeigt die Anti-G8 Proteste in Genua 2001, die von der Polizei blutig niedergeschlagen wurden, es kam sogar zu einem Toten. Durch die komplette Vermummung der Polizisten durch Gasmasken und schwarzer Kleidung ist dies ein gutes Beispiel für die später erläuterte Deindividuation.

Der letzte Ausschnitt zeigt Deutschland, Berlin 2005 im Oktober, eine Anti-Militarismus Demonstration, auf der ein Zivilpolizist unkontrolliert und wahllos in die friedliche Menge hineinschlägt.  Man sieht ihn hier noch einmal genauer in Aktion, weit ausholend [PP-Wechsel] und ohne erkennbare Aggression seitens der Demonstranten.

Das Lied im Hintergrund beschreibt in Rap-Form eine Begebenheit, bei der Demonstranten polizeilicher Gewalt ausgesetzt wurden, die später mit unzulässigen Argumentationen („Aufforderung zur Gefangenenbefreiung“ – „Free all prisoners“) gerechtfertigt wurde.

[PP-Wechsel]

All dies sind Beispiele für illegale polizeiliche Gewalt. Ich möchte ihnen nun auf Grundlage psychologischer Erkenntnisse erklären, warum es nicht nur individualpsychologische Aspekte, wie Stresssymptome, Triebe und psychische Störungen, sind, die den Beamten veranlassen, Gewalt auszuüben, sondern auch strukturell-institutionelle Problemfelder dies unterstützen.

Um die psychologischen Hintergründe von Polizeigewalt zu klären, möchte ich aber zunächst den Begriff erläutern. Psychologisch gesehen ist er die verbale oder tätliche Aggression, die von Polizisten im Dienst ausgeübt wird. Rechtlich gesehen, ausgehend vom gewählten Beispiel des Landesgesetzes Baden-Württemberg, ist es nach §50 Polizeigesetz der „unmittelbare Zwang“, der legal zur Erreichung eines Polizeilichen Zwecks eingesetzt werden kann (oder in Notwehr). Illegal ist es, wenn es keinen Zweck gibt, er erfüllt ist oder nicht durch das Mittel erfüllbar scheint. Außerdem muss der Zwang verhältnismäßig sein, so hart wie nötig, so milde wie möglich. Allgemein ist die rechtliche Lage eher unklar, da es im Ermessenspielraum des Beamten liegt ob ein polizeilicher Zweck vorliegt, ihm obliegt die Zuständigkeit nach §51. Dies ist einer der Punkte, weshalb es psychologisch zu einem wahrscheinlicheren Auftreten von Polizeigewalt kommen kann, denn der Polizist sieht sich im Recht, auch wenn der angewandte Zwang sein Kompetenz eigentlich überschreitet. Denn die Beurteilung der Situation ist ihm durch das Gesetz zugesprochen.

Nachdem wir ich nun den Begriff definiert habe ist es interessant, einen Blick auf die Zusammensetzung der Polizei zu werfen: so sind es überwiegend Männer aus bildungsfernen Verhältnissen, die die Bereitschafts und Schutzpolizei (die Abteilungen mit den meisten angezeigten Übergriffen) bilden. Männer haben neuropsychologisch gesehen ein deutlich größeres Sexual und Aggressionzentrum im Hirn. Zudem gibt es wenige Polizisten mit migrantischem Hintergrund, was ein Erklärungsansatz von rassistisch motivierten Gewalttaten sein kann.

Schon in der Ausbildung manifestieren sich strukturelle Probleme, die später zu einer erhöhten Gewaltbereitschaft führen können. Bis in die 80er Jahre hinein fand die Ausbildung kaserniert statt, heute ist das immer noch bei der Bereitschaftspolizei (Zuständig für u.a. Demonstrationen) so. Die Ausbildung lehnt sich also an militärische Organisation an, und auch äußerlich ist dieser Vergleich nachvollziehbar, [PP-Wechsel] hier zu sehen an der Barret-Mütze, die auch in der Bundeswehr genutzt wird. Außerdem werden die Ausbildungsinhalte fast ausschließlich durch Polizisten vermittelt, die häufig, als ältere Generation, konservativere Ansichten über die Erfüllung von polizeilichen Pflichten haben.  Der Inhaltschwerpunkt liegt auf Rechtskunde, Psychologie/Sozialwissenschaften und Verfassungskunde werden nur im geringen Umfang behandelt.  Es kommt, durch polizeiliche Lehrkörper auch zu einer sozialen Abgrenzung, da kaum Kontakt zu Nicht-Polizisten erfolgt, was noch durch die Kasernierung verstärkt wird.Ein sogenannter Korpsgeist, bekannt vom Militär, bildet sich heraus. Konkret bildet dies sozialpsycholgische Effekte aus, angefangen mit dem Minimal Group Paradigma, bei dem sich der Beamte nur aufgrund seines Berufes, unabhängig von seiner Meinung über die anderen Gruppenmitglieder, in eine soziale Gruppierung einordnet und sie, beschrieben durch den Ingroup/Outgroup-Effekt, bevorteilt bzw. alle konkurrierenden Gruppen benachteiligt. Für den Vorteil der eigenen Gruppe und zur Statusfestigung werden Nachteile für andere Gruppen in Kauf genommen.  Es ist also eine Kategorisierung der eigenen Person und anderer Personen nach minimalsten Faktoren, die durch Kasernierung und Ausbildungsform um einiges verstärkt wird. Das ganze kann man unter dem SIDE-Modell (social identity model of deindividuation) zusammenfassen,  das eine Unterscheidung von Gruppennormen gegenüber Individualnormen einsetzt und so erklärt, warum man in einer Gruppe eher zur Gewalt bereit ist, es kommt zu einer negativen Art der Deindividuation. [PP-Wechsel] Es kommt innerhalb der Gruppe, besonders gefördert durch die Uniformierung der Polizeibeamten zur Anonymisierung, dies führt zu einem Verlust von Hemmungen, im Gegenzug dazu macht es auch die Strafverfolgung im Nachhinein schwerer.

Zudem gibt es in der Ausbildung, aber auch im Polizeialltag einen autoritären Führungsstil, der sich in den Befehlsketten, Zuständigkeiten und im Disziplinarrecht äußert – auch hier ist wieder eine Orientierung an militärischen Organisationsformen zu erkennen. Einerseits erhöht ein autoriärer Führungsstil nachweislich das Aggressionpotential einer Gruppe, andererseits wird das Hinterfragen eines evt. ungesetzlichen Befehls mit Konsequenzen bedroht (Disziplinarrecht) und kann auch bei Korrektheit des Hinterfragens zu persönlichen Problemen mit Vorgesetzem und Kollegen führen. Wie schon das Milgram-Experiment gezeigt hat, neigt der Mensch dazu, durch „starre Autoritäten“, wie Milgram es formuliert seine „stärkste moralische Grundsätze“ zu missachten, nämlich andere Menschen nicht zu verletzen. Die Verantwortung für das eigene Handeln wird an die Autorität übertragen.

[PP-Wechsel]

Aus diesem gesamten Prozess folgend hat Amnesty International die These der sogenannten Cop Culture aufgestellt – eine eigene Subkultur, aus Elementen die man hier sieht und die zum Teil schon angesprochen wurden, die man in diesem Berufsfeld finden soll. Bestehend aus dem schon beschriebenen Korpsgeist, dem Rollendruck, der auch eine Selbstwahrnehmung als Frontkämpfer für konservative Ideale beinhaltet, ausgelöst durch die erfahrungsgeprägte Ausbildung, die auch zu Gewohnheitsrecht und Pauschalisierungen führen kann.

Es gibt auch eine, meistens durch das Innenministerium ausgelöste, Politisierung der Polizei. So wurden das Berliner Interesse eines Reibungslosen Ablaufs über die Demonstrationfreiheit der Prostler beim Schahbesuch 1967 gestellt und die Demonstration unter Missachtung der vorausgegangen Rechtsverletzung durch das Schahgefolge mit Gewalt aufgelöst. Auch die letztjährigen Demonstrationen gegen den G8-Gipfel  sind Zeugnis, [PP-Wechsel] in vielen Fällen wurden die Demonstranten durch gezielte Informationspolitik über z.B. ein polizeiinternen Radiokanal denunziert. Verwendung von Begriffen wie zB „Chaoten“ erinnern eher BILD-Berichtserstattung als an eine neutrale Sachinformation.  Das führt zur sogenannten Dehumanisierung, das heißt, die andere Gruppe (in dem Fall die Demonstrationsteilnehmer) werden nicht mehr als Menschen wahrgenommen, sondern als Masse von Chaoten oder Randalierern. Somit sinkt die Hemmschwelle der Gewaltanwendung, da es auch eine Rechtfertigung, den Verteidigungszweck, gibt.

Der machtpsychologische Status „Polizist“ ist gesellschaftlich höher bewertet als der des Bürgers, denn er vertritt die staatliche Autorität und legitimiert somit Gewalt. Es kommt kaum zur Strafverfolgung, weil sich die Kollegen durch den gebildeten Korpsgeist decken (man möchte ja nicht als „Verräter“ dastehen) und Polizisten, als Mitglied des Staatswesens von der Justiz herausgehobener behandelt werden, wieder erklärbar durch den Ingroupeffekt. Ingesamt kam es im Zeitraum 1995 bis 2004 in nur 1,3% der angezeigten Fälle zu einer Anklage und nur in 0,4% zu einer Verurteilung.

[PP-Wechsel]

Ich habe einige Vorschläge zur Problemlösung herausgearbeitet, die ich ihnen nun, nach meiner Analyse, darlegen möchte. Einerseits müssen die Ausbildungsinhalte auf der Höhe der Zeit sein, am besten durch polizeifremdes Fachpersonal vermittelt, regelmäßige Weiterbildung und verstärkte Menschen und Bürgerrechtskunde sowie Psychologie-Inhalte, die auch nahelegen, was Betroffenen passieren kann – Stichwort: posttraumatische Belastungsstörung –  sollten auf dem Lehrplan stehen.

Weitergehend müssen die Einsatzkräfte zu einer neutralen Betrachtungsweise gemahnt werden und ihnen z.B. objektiv die Inhalte einer Demonstration nahegebracht werden. Sollte es zu Gewaltfällen außerhalb des gesetzlichen Rahmens kommen, muss die Strafverfolgung organisatorisch getrennt direkt durch die Staatsanwaltschaft erfolgen. Es muss eine Kennzeichnungspflicht für Beamte geben, um sie besser identifizieren zu können, und ihnen die Sicherheit der Anonymität zu nehmen.

Damit dass alles disktutiert werden kann, muss letztendlich erstmal die Tabuisierung des Themas durchbrochen werden und Politik und Medien müssen sich intensiv mit der strukturellen Problematik beschäftigen.

Für weitere Informationen zur Thematik haben sie auf ihrem Handout eine Quellenübersicht, besonders empfehlenswert sind hierbei das Referat von Hr. Hernnkind und das Buch „Feindbild: Demonstrant“